Digitalisierungsstrategien der Bauunternehmen

Das Baublatt berichtet über das erste smino Werkstattgespräch vom Februar 2020 mit dem Schwerpunkt Augmented Reality. Dabei wird klar, AR könnte dem durchgehenden digitalen Datenfluss zusätzlichen Schub verleihen.

Das Baublatt veröffentlicht am 06.03.2020 den folgenden Bericht (Link zum Bericht)

Augmented Reality: Mit diesen Realitäten ist zu rechnen

Neue technische Entwicklungen begünstigen die Suche nach Lösungen für Anwendungen im Rahmen von Augmented Reality. Ausgangspunkt sind die Digitalisierungsstrategien der Bauunternehmen. Ein Werkstattgespräch zeigte anhand einer Standortbestimmung, wohin die Reise gehen könnte.

Die Digitalisierung ist im Begriff, viele private und öffentliche Lebensbereiche und Arbeitswelten zu durchdringen. Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten werden auch der Augmented Reality (AR) zugesprochen. Verwendet werden für AR (augmented = engl. für erweitert, ergänzend) auch Bezeichnungen wie Special Computing oder Mixed Reality. Es ging um Grundsätzliches und praktische Erfahrungen der Digitalisierungs-Verantwortlichen von Planungs- und Bauunternehmen, die beim Werkstattgespräch des Smino-Teams diskutiert wurden. AR ist Neuland, bei dessen Erschliessung noch Herausforderungen zu bewältigen sind.

Sich ein besseres Bild machen

AR kann als Visualisierung von Informationen angereicherter Datenmodelle und als Kollaborationsplattform bei der Planung und Realisierung dienen. «Uns würde es helfen, wenn wir Objekte möglichst früh auf eine Weise darstellen könnten, sodass sie auch für den Laien lesbar sind», sagte ein Planer. Mittels 3-D-Skizze in einer realen Umgebung liesse sich schon bei der Planung ein Raumeindruck vermitteln oder das Baumaterial zielgerichteter bestimmen.

Auch könne AR einen Beitrag leisten, Pläne besser zu verstehen und Missverständnisse auszuräumen. Visualisierungen und Renderings leisten zwar gute Dienste, weil sie technisch vergleichsweise einfach umzusetzen sind. Doch habe es sich gezeigt, dass Bauherrschaften Visualisierungen oft nicht richtig interpretieren können.

Deshalb seien flexibel eingesetzte 3-D-Darstellungen mittels AR während des Planungsprozesses eine gute Basis für Diskussionen mit Bauherrschaft, Verkäufern oder Eigentümern. So könnten beispielsweise bei der Planung eines Spitals mittels AR bereits im Vorfeld Funktionalitäten und Raumprogramme geprüft und verbessert werden. Auch für die Zusammenarbeit von Planung und Bauleitung wären ein 3-D-Modell und AR die ideale Basis für eine erfolgreiche Kollaboration.

Vom Gleichen reden

Es geht darum, die kognitive Last zu reduzieren, indem Daten visuell so aufbereitet werden, dass man sie nicht mehr übersetzen muss, sagt ein Digitalisierungsexperte. Denn nach wie vor böten grosse Bauprojekte viele Herausforderungen wie den Umgang mit umfangreichen Datenmengen. Das heisst dann: Informationen sammeln und aufbereiten.

Der Mehrwert für die Anwender sei, dass sie sich in grossen Datenmengen schneller zurechtfinden. In der echten Realität müsse ein Bauarbeiter den Plan auch übersetzen, um zu sehen, wie das am Schluss genau aussehe. Dazu müsse die Verständlichkeit und Lesbarkeit gegeben sein und zwar sowohl auf der Daten- als auch auf der Prozessebene, was wiederum eine Standardisierung der Semantik von digitalen Lösungen voraussetzt.

«Für eine effiziente Kollaboration über den gesamten Ablauf hinweg braucht es zuerst einmal eine Standardisierung, sonst wird die Digitalisierung nichts bringen», merkte ein Teilnehmer der Diskussionsrunde kritisch an. Zudem sei eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit frühzeitig in den Workflow integrierten Gewerken notwendig. Smino wäre eine mögliche Kollaborationslösung, die sich in der Schweiz als Standard etablieren könnte.

Auf guter Basis aufbauen

Auch wenn die technischen Möglichkeiten für AR-Anwendungen immer besser werde, könne es bei der Überlagerung des digitalen Modells auf die physische Welt noch zu geringen Abweichungen kommen. Doch für eine breite industrielle Anwendung ist die Präzision laut Experten ausreichend.

Entscheidend für die genaue Lokalisierung des Nutzers ist dabei die Hardware. Microsoft hat mit der Hololense ein Produkt auf dem Markt, Apple will noch dieses Jahr nachziehen und ein neues Tablet mit höherer Präzision bei der Lokalisierung mittels entsprechender Sensorik lancieren. Auf lange Sicht werde die gerechnete und die physische Welt immer mehr verschmelzen. AR könnte dem durchgehenden digitalen Datenfluss zusätzlichen Schub verleihen.

Design und Konstruktion geeint

In Zukunft eine grössere Bedeutung erhalten dürfte ein weiterer Digitalisierungstrend, nämlich das parametrische Design, waren sich die Experten einig. Design und Konstruktion beziehungsweise Produktion werden dabei konsequent einheitlich gedacht. Die Form von Objekten suchen Architekten und Designer dabei auf Basis von Parametern, die eine unerschöpfliche Gestaltungsvielfalt und grösstmögliche Flexibilität bieten.

Mit der Parametrisierung wird Wissen sozusagen in Codes gespeichert. Diese Informationen können später die Grundlage für Datenmodelle sein. So könnte die Zukunft der Planung aussehen, liessen einzelne Bau- und Digital-Spezialisten durchblicken. Berühmtestes Beispiel für das Entwurfs- und Realisierungskonzept ist das neue Swatch-Gebäude in Biel aus der Feder von Shigeru Ban. Die Bauteile aus Holz wurden parametrisch geplant, vorgefertigt und auf der Baustelle zusammengesetzt. Jedes auf diese Weise produzierte Bauteil war ein Unikat – wie das gesamte Gebäude.

Auf Papier und aus dem Prozess

Ein anderes Unternehmen hat sich das Ziel gesetzt, innerhalb von drei Jahren komplett papierlos zu agieren. Der Zugriff auf Daten solle nur noch über Tablets erfolgen. Am Selbstverständnis, dass der Umgang mit Informationen zum Kernbusiness gehört, nagten anfangs noch Ängste wegen rechtlicher Aspekte und Verantwortlichkeiten.

Mittlerweile funktioniert das Unternehmen papierlos, Ausdrucke auf Papier gehören der Vergangenheit an. Dabei spielte nicht nur der Umweltaspekt eine Rolle. Beim Ausdruck von Dokumenten sind die Informationen zwar visuell vorhanden, aber für die Einbindung in den digitalen Workflow und letztlich in die Arbeitsprozesse sind sie verloren. «Eine alles durchdringende Digitalisierung ist das noch nicht», wirft ein Teilnehmer kritisch ein.

Voraussetzung für eine durchdachte Digitalisierung sei, dass bereitgestellte Informationen vom Baubeginn über die Fertigstellung bis hin zum Betrieb lesbar seien. Selbstverständlich gehörten Pdf-Formate und Pläne zur Dokumentation, doch mache dies nur Sinn, wenn sie in digitaler Form vorlägen und geteilt werden könnten oder zugänglich seien. «Es wird noch zu viel gedruckt», war die einhellige Meinung der Teilnehmer.

Doch beim Einsatz verschiedenster Tools und Engagements von Partnerfirmen bestehe momentan noch die Gefahr, sich in Details zu verlieren. «Keep it simple», brachte es ein Teilnehmer auf den Punkt. Sich auf wenige Tools beschränken und auf eine Handvoll Kollaborationspartner. Beim Umgang mit Informationen heisst das: So wenig wie möglich, aber so viel wie notwendig.

Einhellig ist man der Ansicht, dass die Digitalisierung erst begonnen hat. Diese ist vor allem eine andere Form der Zusammenarbeit und der Informationsspeicherungund -vermittlung im Workflow von Planungs- und Bauprojekten. Technische Weiterentwicklungen sind dabei nur ein Hilfsmittel der Digitalisierung, das Wichtigste aber ist ein Wandel der Denkweise.

29. April 2020 | Kategorien: Digitalisierung, Unkategorisiert